Die kapazitive Hyperthermie in Kombination der palliativen Bestrahlung von schmerzhaften Knochenmetastasen
Kapazitive Hyperthermie kann die Wirksamkeit der Radiotherapie steigern
Die palliativ- analgetische Radiotherapie ist eine oft angewandte Therapie bei schmerzhaften Knochenmetastasen. Jedoch erfahren durch die Radiotherapie allein nur ungefähr ein Drittel der Betroffenen keine Verbesserung ihrer Schmerzen und lediglich ein Viertel eine völlige Reduktion. Wird nun zusätzlich der Einsatz der Hyperthermie genutzt, das heißt eine Erwärmung des Gewebes auf circa 40 Grad Celsius bis 43 Grad Celsius, vermag diese die Wirksamkeit der Radiotherapie zu steigern. Denn durch diese Erwärmung werden zum einen die DNA- Reperaturmechanismen gestört, zum anderen werden die Tumore aufgrund der besseren Durchblutung verstärkt mit Sauerstoff versorgt. Die kapazitive Hyperthermie nutzt dabei mit dem Plattenkondensator die einfachste Methode, über ein elektromagnetisches Feld Wärme zu erzeugen.
Bezüglich der kapazitiven Hyperthermie liegen positive Daten aus randomisierten Studien zu Zervixkarzinomen, HNO- Tumoren sowie Ösophaguskarzinomen vor. Da diese Technik ebenso für eine lokale Hyperthermie geeignet ist, die in der Regel mit Mikrowellenapplikatoren durchgeführt wird, gelten die positiven randomisierten Studien zur lokalen Hyperthermie – Melanommetastasen, Mammakarzinomrezidive- analog für die kapazitive Hyperthermie. Zur Kombination mit kapazitiver Hyperthermie und Radiotherapie bei der Behandlung von schmerzhaften Knochenmetastasen war bislang wenig bekannt.
Die randomisierte Phase- III- Studie
Es wurde eine randomisierte Phase- III- Studie durchgeführt, in der die Kombination aus kapazitiver Hyperthermie und Radiotherapie mit derjenigen der alleinigen Radiotherapie in puncto der Unterschiede bei der Schmerzreduktion von Patienten mit schmerzhaften Knochenmetastasen verglichen wurde. Der primäre Endpunkt war die Zahl der Patienten mit kompletter Schmerzreduktion an festgelegter Stelle (Index- Läsion) innerhalb von 3 Monaten nach der Radiotherapie, die als BPI- Score (Brief Pain Inventory) von 0 Punkten ohne Erhöhung der vorher bestehenden Schmerzlinderung definiert war. Sekundäre Endpunkte beinhalteten den Zeitpunkt sowie die Dauer der vollständigen Schmerzbeseitigung, behandlungsassoziierte Nebenwirkungen und Unterschiede im radiologischen Ansprechen des Tumors. In die Studie eingebundene Patienten hatten Knochenmetastasen mit soliden Tumoren mit einer Lebenserwartung von mindestens 3 Monaten. Die Index-Läsion sollte <20 cm messen, eine Schmerzhaftigkeit von mindestens 4 Punkten im BPI haben und effektiv von Elektroden mit einem maximalen Durchmesser von 30 cm abgedeckt sein. Durfte auch jeder Betroffene nur eine Index- Läsion haben, so war jedoch die Bestrahlung mit weiteren Läsionen erlaubt. Sonstige Systemtherapie und Medikation sollten für 4 Wochen vor und nach der Radiotherapie keine Veränderung erfahren. Ausgeschlossen aus dieser Studie wurden Patienten mit pathologischen Frakturen, Läsionen am Schädel, Patienten mit Metallimplantaten sowie Herzschrittmachern und an der Läsion vorbestrahlte Patienten. Die Betroffenen wurden nach der Anzahl der Knochenmetastasen- solitär versus multipel-, nach Art des Primärtumors – Prostatakarzinom sowie Mammakarzinom versus andere Tumore und BPI- Score – 4 bis 6 versus 7 bis 10 Punkte stratifiziert. Die Radiotherapie fand 2 Wochen lang mit 5 Fraktionen pro Woche statt und zwar entweder mit intesitätsmodulierter Radiotherapie oder mithilfe 3- D- konformaler Radiotherapie.
Die Hyperthermie wurde anhand von kapazitiver Technik in Rückenlage am Thermotron- RF-8- System zweimal in der Woche insgesamt viermal verabreicht. Sie erfolgte jeweils innerhalb von 2 Stunden nach der Radiotherapie, wobei die Zieltemperatur 40 Minuten lang konstant blieb. In den meisten Fällen erfolgte keine invasive Temperaturmessung. Die Messung des BPI fand während der sechsmonatigen Nachbeobachtungsphase 15- Mal statt. Mithilfe des Common Terminology Criteria for Adverse Events, Version 4.0 wurden Hyperthermie- assoziierte Nebenwirkungen erfasst. Mittels der Computertomographie und Anwendung des Response Evaluation Criteria in Solid Tumors, Version 1.1, wurde das radiologische Ansprechen 3 Monate nach der Behandlung beurteilt.
Diese Studie wurde nach einer geplanten Zwischenanalyse, 3 Jahre nach Studienbeginn, nach Einschluss von 57 Patienten (29 Patienten, deren Behandlung in Kombination mit Hyperthermie und Radiotherapie stattfand, 28 Patienten, die nur mit Radiotherapie behandelt wurden) vorzeitig beendet, da sich im primären Endpunkt ein signifikantes Ergebnis zugunsten der Kombinations- Behandlung gezeigt hatte. Auch wären, aufgrund der langen Rekrutierung, noch weitere >3 Jahre nötig gewesen, um die zu Beginn geplanten 152 Patienten zusammen zu stellen.
Die Studien- Ergebnisse
Die komplette Schmerzreduktion innerhalb von 3 Monaten nach der Behandlung betrug 58,6% in der Kombination von Hyperthermie und Radiotherapie und 32,1 % bei alleiniger Radiotherapie. Bei der alleinigen Applikation der Radiotherapie betrug die mediane Zeitspanne bis zur Schmerzprogression 55 Tag bei Patienten mit kompletter Schmerzminimierung. Dieser Endpunkt wurde im Kombinationsarm nicht erreicht. Die nicht akkumulierte Rate an kompletten Schmerzreduktionen 3 Monate nach der Behandlung betrug 37,9% im Kombinationsarm und 7,1% bei alleinger Radiotherapie. Darüber hinaus wurde eine signifikant höhere Rate radiologischer Ansprechbarkeit bei Patienten festgestellt, die mit der Kombination von Radiotherapie und Hyperthermie behandelt worden waren als bei solchen, bei denen ausschließlich die alleinige Radiotherapie appliziert wurde, (73,4% versus25%). Acht Patienten (53,3%) hatten zumindest eine partielle Knochenbildung in der Kombinationsbehandlung. Lediglich bei 2 Patienten (16,7%) war dies nach alleiniger Radiotherapie der Fall. Die Nebenwirkungen waren in beiden Studien- Arten glimpflich, Nebenwirkungen Grad- 3 wurden nicht festgestellt. Im Kombinationsarm war häufiger ein wärmebedingter lokaler Schmerz zu verzeichnen, und bei übergewichtigen Patienten konnte vermehrt eine subkutane Fettgewebsinduration beobachtet werden, die jeweils mehrere Wochen lang anhielt.
Anmerkung
Als Ergebnis kann festgehalten werden, dass sich vor allem die Quote an kompletter Schmerzreduktion 3 Monate nach analgetischer palliativer Radiotherapie mit 10 x 3 GY kennzeichnend erhöht, wenn zusätzlich zur Strahlentherapie eine kapazitive Hyperthermie durchgeführt wird. Auch die Zeit bis zur Schmerzprogression verlängerte sich nach der Kombinationstherapie im Vergleich zur alleinigen Applikation der Radiotherapie im Median signifikant. Die Studie wurde nach Durchführung der geplanten Interimsanalyse frühzeitig beendet, und zwar einerseits aus Gründen der langsamen Patientenrekrutierung und andererseits, weil der Unterschied hinsichtlich der kompletten Schmerzreduktion nach 3 Monaten bereits deutlich zugunsten der kapazitativen Hyperthermie ausfiel. Dieses Resultat wurde als das bedeutsame Endresultat angesehen und der Verzicht auf die Hyperthermie sogar als unethisch angesehen.
Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass die Quote hinsichtlich der vollständigen Schmerzreduktion 3 Monate nach ausschließlicher Radiotherapie mit 7,1 % vergleichsweise niedrig ausfiel. Es ist vorstellbar, dass dies an bestimmten Merkmalen der in die Studie einbezogenen Patienten lag, bei den eventuell öfter fortgeschrittene Knochenmetastasen mit Weichteilbeteiligung vorlagen, ohne dass Angaben hierzu in der Veröffentlichung gemacht wurden. Dies könnte auch den hohen zusätzlichen Nutzen der Hyperthermie erklären, weil Weichteilläsionen generell besser erwärmt werden können, als dies bei Knochenläsionen der Fall ist. Solche Knochenläsionen mit einem höheren Weichteil- Anteil könnten eventuelle mit höheren Strahlendosen eine effektivere Behandlung erfahren.
Die kapazitive Hyperthermie besitzt bezüglich ihrer erreichbaren Eindringtiefe eine Mittelstellung zwischen der lokalen und regionalen Hyperthermie ein. So können verschiedene Frequenzen Anwendung finden, so zum Beispiel 8 MHz in Asien beim angewendeten Thermotron- System oder ebenso die zugelassene ISM- Frequenz von 13,56 MHz beispielsweise bei den in Europa verbreiteten kapazitiven Geräten der Firma Celsius42 GmbH, Geräte, die in Deutschland weit verbreitet sind. Ist auch die kapazitive Hyperthermie ziemlich einfach durchzuführen und ebenso für den Patienten gut verträglich, so sind die erreichten Verteilungen der Temperatur nur unter bestimmten Parametern zufriedenstellend. Denn zwischen den beiden Elektroden kann sich nur dann ein homogenes elektromagnetisches Feld aufbauen, sofern die Abmessungen der Elektroden idealerweise viel größer sind als die Distanz zwischen den beiden Polen. Dies jedoch kann im menschlichen Körper, basierend auf Region und Habitus, nicht immer erreicht werden.
So besteht das größte Hindernis zur Erlangung einer befriedigenden Wärmeverteilung mithilfe der kapazitiven Hyperthermie in der Tatsache der Inhomogenität des menschlichen Körpers, die in größeren Knochenabschnitte und Fettschichten, vor allem aber in der Luft begründet sind. So kann es im elektrisch dünneren Medium, nämlich Fett, oberflächlich zu nicht erwünschten Überwärmungen kommen, die nur teilweise durch Kühlung der Oberfläche zu verhindern sind.
Bei den erörterten Studienergebnissen sollte, neben der Patientenselektion, ebenso das relativ schlanke Erscheinungsbild asiatischer Patienten Berücksichtigung finden. Daher könnten die Ergebnisse auf Mitteleuropäer, die mit einem durchschnittlich höheren BMI ausgestattet sind, möglicherweise lediglich beschränkt zu übertragen sein. Daher sollte in Deutschland eine die oben genannten Ergebnisse bestätigende Studie unter der Berücksichtigung höherer Strahlendosen bei Läsionen mit Weichteilanteil durchgeführt werden, um den Stellenwert der Hyperthermie in Verbindung mit palliativer Radiotherapie weiter zu festigen.
Abschließende Feststellungen
Es ist anzunehmen, dass die Kombination aus kapazitiver Hyperthermie und palliativer Radiotherapie bezüglich des Schmerzansprechens nach 3 Monaten der alleinigen Applikation der Radiotherapie überlegen ist. Ebenso können wohl ähnliche Ergebnisse bei der Anwendung der regionalen Hyperthermie vermutet werden. Dennoch sind weitere Fragen offen, zum Beispiel bezüglich der Hyperthermietechnik sowie der Patientenselektion. Daher empfiehlt es sich, weitere Studien zu diesem Thema durchzuführen, da die Voraussetzungen für die Behandlung Betroffener und für künftige Studien in Deutschland günstig sind.
(Diese Ausführungen bauen auf einem Artikel von Pirus Ghadjar, Peter Wust und Volker Budach, Berlin sowie Wilfried Budach, Düsseldorf und ihrem Artikel aus dem Springer Verlag)